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Das E-Book „The Compatriots“ der russischen Medienschaffenden Irina Borogan und Andrej Soldatow darf in Deutschland vorerst nicht weiter erscheinen. Der Grund: Das Landgericht Hamburg bestätigte am 8. Dezember 2023 eine einstweilige Verfügung gegen den US-amerikanischen Verlag Hachette, welcher das Buch vertreibt. Die Verfügung hatte der russische Geschäftsmann Alexej Koslow erwirkt. Er ist einer der Protagonisten des Werkes, in dem es um die Tätigkeit russischer Geheimdienste geht.
„Koslows juristisches Vorgehen gegen die Autoren trägt Elemente einer SLAPP-Klage und ist daher fragwürdig“, sagt Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen. Die Abkürzung SLAPP steht für „Strategic lawsuits against public participation“ – ein juristisches Verfahren, das unliebsame Veröffentlichungen unterbinden und deren Autor*innen diskreditieren soll. “Zudem ist schwer nachzuvollziehen, dass die Verfügung wegen Dringlichkeit vom Gericht weiter aufrechterhalten wird. Das Buch ist bereits vor vier Jahren erschienen!”
Koslow bezichtigt Soldatow und Borogan im Zusammenhang mit seiner Erwähnung im Buch der Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte. Zudem wirft er ihnen Falschaussagen vor. Im Oktober 2023 erwirkte der Geschäftsmann daher eine einstweilige Verfügung wegen Dringlichkeit. Gegen diese legte Hachette Widerspruch ein: Das Buch sei bereits 2019 veröffentlicht worden und befinde sich seitdem - von Koslow unbeanstandet - im Handel. Die Version des Geschäftsmanns: Er habe zwar nach der Veröffentlichung die ersten 100 Seiten des Buches gelesen. Dann habe er es jedoch aus Langeweile zur Seite gelegt und verliehen. Erst im August 2023 habe er die ihn betreffenden Textpassagen zur Kenntnis genommen, nachdem ihm in einem Artikel im Online-Lexikon Wikipedia Fehler aufgefallen seien. Seinen Aussagen nach sind diese auf das Buch zurückzuführen. Die Darstellung ist wenig glaubwürdig: Koslow musste wissen, dass er in dem Buch vorkam. Er hatte den Autor*innen ein mehrstündiges Interview gegeben und stand anschließend mit ihnen in Kontakt.
Das Landgericht Hamburg folgte am 8. Dezember überraschenderweise Koslows Argumentation zur Begründung der Dringlichkeit und wies den Widerspruch des Buchverlages zurück. Gegen die Entscheidung kann dieser nun Widerspruch vor dem Oberlandesgericht einreichen. Als Konsequenz zieht sich das Verfahren in die Länge – auf Kosten des Buchverlags. Der Streitwert wurde vom Landgericht Hamburg auf 100.000 Euro angesetzt. Der Anwalt des Verlages bezeichnete die Summe als “aberwitzig” hoch.
SLAPPS zeichnen sich gerade dadurch aus, dass juristische Verfahren sich in die Länge ziehen, den Betroffenen hohe Kosten und viel Arbeit verursachen und dass Nebensächlichkeiten vorgeschoben werden, um unliebsame Veröffentlichungen zu unterbinden.
Es bleibt zu hoffen, dass das Gericht in einem möglichen Hauptsacheverfahren den Fall auch unter dem Blickwinkel prüft, ob es sich hierbei um eine Einschüchterungsklage handeln könnte. Reporter ohne Grenzen wird den Fall weiter beobachten.
Repressionen aus Russland
Soldatow und Borogan leben als Investigativjournalist*innen im Exil, nachdem ihnen 2020 die Lizenz für ihre Nachrichtenseite agentura.ru in Russland entzogen wurde. Auf dieser veröffentlichen sie weiterhin Nachrichten über Geheimdienste, Sicherheitspolitik und Terrorismus in Russland und weltweit. Mitte Dezember 2023 kündigte der deutsche Internet-Anbieter Hetzner den Vertrag für agentura.ru. Dass Unternehmen begründete den Schritt mit politischem Druck aus Moskau und neuen Vorschriften für Hosting-Anbieter, an die sich das Unternehmen halten müsse.
Auf Grundlage des russischen Mediengesetzes von 2022, das Kritik an der „militärischen Spezialoperation" in der Ukraine verbietet, wurde Soldatow in Russland wegen Verunglimpfung der Streitkräfte angeklagt. Die Bank Austria in Österreich fror im Dezember 2023 sein Bankkonto ein. Seit kurzem gilt er in Russland nun auch als „ausländischer Agent", der für eine „unerwünschte Organisation” arbeitet. Dass die beiden Regimekritiker*innen trotzdem weiter über ihr Spezialthema Geheimdienste schreiben, ist dem Kreml seit Langem ein Dorn im Auge.
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